Triggerwarnung: Schmerzmittel/ Medikamentenmissbrauch, Schwangerschaftsabbruch, Drogen- und Alkoholkonsum. Erbrechen und Beschreibung von Blutungen
Ich hab abgetrieben. Es war scheiße, unfassbar schmerzhaft und die Hölle für mich. Und nicht nur wegen der körperlichen Schmerzen würde ich die Zeit so beschreiben, sondern auch aufgrund der psychischen Aspekte und Torturen die mir dadurch begegnet sind. Denn „einfach mal so abtreiben“ ist doch gar nicht so einfach.
Ich und mein Freund sind dem Gespräch lange ausgewichen oder haben es mit dem gutmütigen Satz „ich bin auch einfach nicht schwanger“ abgewimmelt. Uns so sitzen wir beim Asiaten um die Ecke, Hand in Hand, ich mit der Morgenübelkeit und 4 Tage überfällig und er mit einer heiden Angst; besser gesagt wir beide hatten scheiße Angst.
Ich fühle von Tag zu Tag mehr wie sich mein Körper verändert und spüre mittlerweile, dass ich schwanger bin. Als wir dann die Bestätigung von einem viel zu teuren Stück Plastik ablesen konnten , bricht dich Angst aus. In mir zieht sich alles zusammen, weil ich realisiere, dass sich ab jetzt mein Leben komplett verändern kann, ich fühle mich verantwortungslos mir selber gegenüber, weil ich so wenig aufgepasst hab und schuldig dem herranwachsenden Leben in meinem Körper gegenüber weil ich es nicht beschützen konnte vor meinen eigenen Willkür. Denn ich habe konsumiert, gesoffen bis zum get no und das ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass ich nicht alleine sein könnte.
Die darauf folgenden Tage sind nebelig in meiner Erinnerung, ich weiß nur, dass ich viel vorhatte worauf ich mich auch freute, es aber kaum aus dem bett schaffte. Eines Nachts liege ich mit Mütze, Schal und Pulli im Bett, habe schmerzen und Schüttelfrost. Aus Angst rufe ich den Kassenärztlichen Notdienst an um zu fragen ob das normal ist, aber statt Hilfe und aufbauende Worte zu bekommen werde ich gefragt ob ich überhaupt weiß, was da in meinem Körper passiert und ob ich mich damit mal auseinandergesetzt hätte. Ich bin den Tränen nahe und lege schließlich unwissend wieder auf.
Tage später kann ich mich schließlich dazu aufraffen eine Gynäkologin anzurufen – ich habe Angst vor Ärtz:innen weil ich schon sehr unschöne Erfahrungen mit ihnen gemacht habe und sie mir gerade in Notsituationen nicht wirklich geholfen haben sondern mir im Gegenteil mutwillig geschadet haben.
Am Telefon sage ich meinen Namen und dass ich vermute schwanger zu sein, mir wird direkt euphorisch gratuliert und als ich das nicht so ganz erwidere, versteht die Arzthelferin auf der anderen Seite, dass es mir wahrscheinlich nicht so gut damit geht. Sie gibt mir einen Termin und 4 Tage später sehe ich einen kleinen schwammigen grauen Punkt auf einem Ultraschallbild, was mir sagen soll, dass ich wirklich schwanger bin.
Meine Ärztin versucht mir den Prozess zu erklären, wann und wie ich welche Medikamente nehmen soll, zu welchen Terminen ich muss und sonst was. Ich höre kaum zu, nicke nur stumm vor mich hin, unterzeichne irgendwas was sie mir vor die Nase hält und am Tresen werden mir Termine für ein paar tage später gegeben. Wie paralysiert verlassen wir die Praxis, mein Freund durfte beim Ultraschal und co. nicht dabei sein, ich versuche zu erklären was sei mir erklärt hat, aber scheitere kläglich; der Schock sitzt noch zu tief.
In Deutschland müssen Menschen die eine Schwangerschaft abbrechen wollen, 4 tage vor der ersten Pille ein Beratungsgespräch bei einer anerkannten Beratungsstelle machen. Ich telefoniere also eine lange Liste ab, ein paar Namen und Institutionen lasse ich aus. Sie klingen mir zu kirchlich oder eso und ich habe Angst, dass ich mir von irgendwem erzählen lassen muss, dass die Schwangerschaft ein Geschenk Gottes sei und Abtreiben eine Sünde ist und dass, ich Hilfe bekommen könnte, wenn ich sie bräuchte.Ich habe aber letztendlich eine Stelle gefunden, die noch einen passenden Termin frei hatten. Im Nachhinein muss ich sagen das ich da wirklich sehr Glück hatte. Wir sitzen in einem gemütlichen Raum und die Frau vor mir sagt uns, dass ich ich den Schein auch einfach so bekomme und ihr auch überhaupt nichts sagen muss, wenn ich das nicht will. Sie fände Bürokratie auch total kacke und hält es für diskriminierend, dass so etwas Voraussetzung für einen Abbruch ist. Ich fühle mich direkt aufgehoben und gehört bei ihr. Wir beschließen mit ihr zu reden und nach eineinhalb stunden Gespräch halten wir fest, dass ich mir unsicher bin, ob ich den Abbruch will und dass ich die Termine 4 tage später vorerst absage.
Dazu kommt es aber nicht, außerdem gibt es Probleme mit meiner Krankenkasse die mir keine funktionierende Chipkarte zukommen lassen will, also gehe ich zu einer ihrer Stellen, erkläre mein Problem und werde prompt mit einer Person konfrontiert die mir Partout keinen Behandlungsschein für eine Abtreibung ausstellen will, ich bin emotional komplett am Ende. Mache aber solange Stress bis mir eine andere Person diesen Schein ausstellt und fahre damit zu meiner Ärztin, nehme dort eine unscheinbare Pille und gehe wieder. Recht unspektakulär bis dahin und schmerzfrei denke ich mir, da weiß ich aber noch nicht, was mir da noch blüht.
2 tage später werde ich mit dem Auto in die Praxis gefahren weil ich danach so dizzelig werde und ich weder Fahrrad noch Öffentliche fahren sollte bis nach hause. Diesmal nehme ich 3 Tabletten, aber keine die für gynäkologische Zwecke in Deutschland überhaupt zugelassen sind. Es sind eigentlich Magentabletten, die aber als unangenehme Nebenwirkung verursachen, dass sich der Uterus weitet und starke Blutungen einsetzten und quasi „alles raus geschwemmt wird“, dass sei aber meine einzige Chance abzutreiben,erklärt mir meine Ärztin. Denn eine Operation kam für mich null in frage durch meine Angst vor Krankenhäusern und Ärzt:innen.
Ich musste vor dem Termin schon Starke Schmerzmittel nehmen und dadurch, dass ich sonst nie Schmerzmittel nahm, haute diese Dosis mich eiskalt aus dem Leben, ich werde ohnmächtig auf der Rückbank des Autos und wache erst wieder vor meiner Haustür auf. Ich schleppe mich unter den schlimmsten schmerzen meines Lebens in meine Wohnung und kotze mir erst einmal die Seele aus dem Leib. Ich heule und schreie vor Schmerzen, kann kaum liegen und schlafe schließlich ein. Die nächsten Tage verbringe ich zwischen Bett und Bad mit Kotzen, Schmerzensschreien und viel viel Medikamenten.
Ich bin Frustriert von allem und jedem, dann beschließe ich mein sehr vernachlässigtes Sozialleben wiederzubeleben und treffe mich mit einigen Freund:innen. Das Thema überwiegt aber, ich kann kaum grade sitzen ohne Schmerzen zu haben, bin mir aber zu fein immer noch mehr Medikamente zu nehmen und halte die Schmerzen stattdessen einfach aus.
Normalerweise bluten Menschen nach dem Abbruch maximal 10 bis 12 tage wird mir gesagt. Wenn es mehr sind kann es ein Blutgerinnsel oder derartiges sein und ich soll ins Krankenhaus fahren, eine Horrorvorstellung für mich.
Aber als ich nach 19 Tagen immer noch blute mit Schmerzen und fieber- ähnlichen Symptomen rufe ich mal wieder den kassenärztlichen Notdienst an, diesmal hab ich mehr Glück und mir wird gesagt, dass ich umgehend ins Krankenhaus soll. Also humpeln mein Freund und ich zur Bahn und ins Krankenhaus, dort muss ich erst mal 300 Euro hinterlegen, weil ich keine gültige und funktionieren Chipkarte vorweisen kann. Dann warten wir 3 stunden und als ich dann nur alleine in den Behandlungsraum darf, werde ich dort vor die Entscheidung gestellt, ob ich mich jetzt direkt operieren lasse oder einfach aushalte weil es ja irgendwann schon weggehen würde. Ich habe fünf Minuten Zeit und darf mich auch nicht mit meinem Freund darüber beraten.
Unverrichteter Dinge verlassen wir das Krankenhaus wieder, zu groß ist meine Angst vor Operationen.
Nach 24 Tagen höre ich dann schließlich auf zu bluten, habe aber weiterhin Schmerzen, die dann aber bei meiner nächsten Menstruation aufhören.
Bis heute fühlt es sich surreal an, was mir im laufe dieses Prozesses alles begegnet ist, die 300 Euro vom Krankenhaus bekam ich irgendwann wieder und wir waren noch ein zweites mal bei der Beratungsstelle für ein Gespräch.
Und jetzt sind wir an einer stelle im Text wo platz für Forderungen wäre. Beispielsweise zu sagen, dass dieser Prozess entwürdigend, diskriminierend und hürdenreich ist. Denn es ist eine unfassbare Frechheit das unser Kranken- und Sozialsystem so mit Menschen umgeht. Ich bin auch kein Einzelfall es geht unfassbar vielen Menschen so. Und es gibt auch Menschen die sich keine schwangerschaftstests leisten können, geschweige denn Verhütung. Und ich war so finanziel aufgestellt das ich mir es leisten konnte einfach mal so fix 300€ für das Krankenhaus vorzustrecken ohne mir Gedanken darüber zu machen ob ich am Ende des Monats mir noch essen leisten kann. Anderen geht es nicht so.
Macht Schwangerschafts Abbrüche endlich legal. Macht diskriminierende Beratungsgespräche endlich nicht mehr zur Pflicht.
Schwangerschaftsabbrüche dürfen kein Tabu sein!
Sie sind die Realität vieler Menschen
Keine Sünde, kein Verbrechen, kein Tabu.
Sondern medizinische Grundversorgung!