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Rede: Kritik an beteiligten Gruppen am 1. Mai

Kritischer Beitrag an den beteiligten Gruppen heute

Und nun wagen wir mal einen Blick in die Gegenwart. Wo ist heute der Kampftag der Arbeiter*innen?

Anstatt sich auf konkrete Ziele zu fokussieren und gemeinsam mit den Arbeiter*innen auf die Straße zu gehen, wurde der jährliche erste Mai in der letzten Zeit in vielen Städten immer mehr zu einem durchinszenierten kommunistischen Aufzug. Die Demonstration am ersten Mai sollte die Forderung nach einer grundlegenden Veränderung der Herrschaftsverhältnisse mit sich tragen und nicht von autoritären Kommunist*innen genutzt werden, um Menschen für ihre ersehnte zentrale Partei zu rekrutieren.

Die heute beteiligten Gruppen, sei es die KO, die FDJ oder der KA, geben vermeintlich einfache Antworten auf die Fragen des modernen Arbeitskampfes. Doch wir fragen euch: Kann man wirklich für die Arbeiter*innen kämpfen, wenn man im gleichen Zug die Rückkehr der DDR fordert, oder den russischen Imperialismus verharmlost?

Wer gemeinsame Sache mit autoritären Staaten macht, sich diese herbeisehnt, oder auf den Aufbau einer Parteidiktatur hinarbeitet, hat aus unserer Sicht nichts mit dem Kampf der Arbeiter*innenklasse zu tun!

Es lässt sich absolut darüber streiten, welche Gesellschaftsform, welche Form des Zusammenlebens, angestrebt wird. Wir werden niemandem sagen, dies sei die richtige Form, oder jene sei viel besser als alle anderen. Im Gegenteil. Wir wollen, dass die emanzipatorische linke vereint steht, und dennoch pluralistische Ansichten hat. Kommunist*innen, Anarchist*innen und alle weiteren vertretenen politischen Strömungen sollten vereint kämpfen, statt sich aufgrund von dogmatischen Ideologien gegeneinander zu stellen. Wir können unser Ziel nicht erreichen, wenn wir uns ständig gegenseitig bekämpfen.

Aber es gibt klare Grenzen! Die linke Bewegung muss endlich anfangen, sich gegen autoritäre Tendenzen zu stellen! Damit ist es natürlich nicht getan, wenn man einmal in einem antiautoritären Block mitläuft. Der Kampf gegen Autoritäten und gegen Vereinnahmung durch autoritäre Gruppen muss sich in jedem Teil des Lebens wiederfinden, ob im Alltag, im Plenum, oder auf der Demo. Wir möchten diesen Anlass nutzen, um euch alle aufzurufen, sich dafür einzusetzen. Wir werden nicht länger hinnehmen, dass unsere Ziele und Kämpfe vereinnahmt werden.

Das Proletariat braucht keine Hierarchie. Kein Kommunismus ohne Anarchie!

Rede: Die (anarchistische) Geschichte des 1. Mai

Die Geschichte des 1. Mais beginnt Ende des 19. Jahrhunderts in den USA. Die Arbeiter*innenbewegung kämpft um die Einführung des 8-Stunden-Tags, die Arbeits- und Lebensbedingungen sind miserabel. Die massenhafte Auswanderung vieler Europäer*innen nach Amerika führt zu niedrigen Löhnen und großer Konkurrenz zwischen den Arbeiter*innen. Chicago als Eisenbahnknotenpunkt und Standort riesiger Schlachthöfe wird zu einem der Hotspots für die Zugewanderten. Viele deutsche Immigrant*innen verbreiten ihre sozialistischen Gedanken in Fabriken und gründen Gewerkschaften, Vereine oder Parteien.

Am 1. Mai 1886 streiken hunderttausende Arbeiter*innen in den USA, aber vor allem in Chicago. Während dieser Streik ohne größere Auseinandersetzungen endete, wurden bei der brutalen Niederschlagung eines Streiks am 3. Mai durch Polizei und Pinkerton-Detektiven zwei Arbeiter getötet. Die darauffolgende Demonstration eskalierte dann weiter: Auf dem Haymarket-Square wird eine Bombe gezündet. Es folgt ein Kugelhagel der Polizei und die Demonstration eskaliert.

Seitens der Polizei sterben 7 Personen, 60 sind verletzt. Im folgenden Prozess soll die Tatsache verschwiegen werden, dass einige der Polizisten durch die Kugeln ihrer Kollegen getroffen wurden. Wie viele Arbeiter*innen erschossen wurden, ist bis heute unbekannt. Der 4. Mai 1886 löste Panik in Amerika aus, Angst vor einem Umsturz oder einem „anarchistischen“ Sturm breitete sich aus. Die Justiz und Staat reagieren mit Verhaftungswellen und Zeitungs- und Versammlungsverboten, oftmals ohne jegliche Haft- oder Durchsuchungsbefehle.

Schließlich werden 8 Anarchisten angeklagt, ohne, dass es genaue Beweise für die Verstrickung in die Bombenlegung am Haymarket gab. Die meisten angeklagten Anarchisten sind in Chicago bekannt und treten offen während Streiks auf. Die Anklage der Justiz zeigt auf, dass diese Prozesse reine Scheinprozesse waren und kein Bezug zu Gerechtigkeit und Fakten gegeben war. Die Alibis der Angeklagten wurden nie widerlegt, 6 der 8 Anarchisten waren nicht einmal am Ort der Bombenzündung.

Am 11.11.1887 folgte dann die Hinrichtung von 4 Anarchisten: August Spies, Adolph Fischer, Georg Engel und Albert Parsons. Beim Begräbniszug versammelten sich circa 200.000 Menschen, innerhalb der internationalen Arbeiter*innenbewegung löste sich eine Welle an Trauer und Wut aus. So beschloss die 2. Internationale bei ihrem Gründungskongress 1889 in Paris, dass der 1. Mai zum Gedenken an die Opfer des Haymarket Riot zum „Kampftag der Arbeiterbewegung“ ausgerufen wird.

Die anarchistischen Einflüsse und ihre Bedeutung werden bei der Begehung des 1. Mais oftmals ausgelassen. Dabei gäbe es ohne die anarchistische Bewegung und deren erhebliche Beteiligung an Arbeitskämpfen den 1. Mai in dieser Form überhaupt nicht. Nicht nur in Chicago – in der ganzen Welt waren Anarchist*innen und Anarcho-Kommunist*innen erheblich an den Kämpfen der Arbeiter*innenklasse beteiligt. In vielen Orten wurden die Versammlungen und Streiks rund um den Ersten Mai maßgeblich von ihnen mitorganisiert.

Auch in Deutschland wurden ab 1890 Demonstrationen zum 1. Mai abgehalten. Von Beginn an versuchten sozialdemokratische und bürgerliche Kräfte, vor allem in der SPD, die Arbeitskämpfe reformistisch und liberal zu halten. Sie befürchteten, dass zu revolutionäre Ansichten ihre Stellung in konservativen und liberalen Kreisen schwächen würden. Schon früh gingen sie ein Bündnis mit Kapitalist*innen und Rechts-Konservativen ein. Sei es die SPD, die schon im Ersten Weltkrieg versuchte, intern den Frieden zu wahren und gemeinsame Sache mit den Rechten und Kaiserlichen machte, oder später die bürgerlichen Gewerkschaften, die mit den Arbeitgeber*innen zusammenarbeiten.

In den folgenden Jahren entfernt sich der Erste Mai immer weiter davon, ein Kampftag zu sein. Im Nationalsozialismus wird der Tag als „Tag der nationalen Arbeit“ zu einem Feiertag gemacht, begangen von staatlicher Seite mit Paraden und inszenierten Aufmärschen. Mit Arbeitskampf hatte das nichts mehr zu tun. Auch in der DDR werden an dem Tag Paraden und große Aufmärsche abgehalten. Es wurde immer mehr zu einem Feier- statt zu einem Kampftag.

Heute finden am 1. Mai deutschlandweit Kundgebungen und Demonstrationen statt und der 1. Mai wird als Feiertag, dem „Tag der Arbeit“, begangen. Doch mit den revolutionären und aufständigen Arbeiter*innenämpfen des 19. Jahrhunderts hat das nichts mehr zu tun. Gewerkschaften und angeblich linke Parteien versuchen den Tag für sich zu nutzen, um ihre eigene Stellung zu festigen und die Arbeitskämpfe schwach zu halten. Ganz nach dem Motto: Einmal im Jahr, an einem Tag, der ohnehin frei ist, gehen wir auf die Straße, weil wir da nicht stören. Der Erste Mai ist jetzt der „Tag der Arbeit“. Aber für uns ist der 1. Mai ist ein Kampftag und wir werden uns diesen Kampftag nicht nehmen lassen! Es ist der Kampftag der Arbeiter*innenklasse, der zentrale Tag, an dem wir auf die Straße gehen und international für unsere Forderungen kämpfen!

Die Herrschenden und deren Verbündete in den Parlamenten, die versuchen, uns diesen Tag zu nehmen, werden niemals einen Kampf führen, der ihre Macht und Kontrolle einschränkt. Machen wir den Ersten Mai wieder zu einem Tag, vor dem sich die Arbeitgeber*innen und die Reichen fürchten!