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Kritische Auseinandersetzung mit übergriffigen Verhalten in der linken Szene in Leipzig

Der folgende Text soll eine kritische Auseinandersetzung mit übergriffem Verhalten und Sexismus in unserer als auch in anderen Gruppen in der linken Szene sein. Dabei blicken wir äußerst selbstkritisch auf unser eigenes Verhalten im Umgang mit diesen Themen und wollen aber auch solidarische Kritik an anderen Gruppierungen äußern.
Deshalb ist hier auch noch einmal eine TRIGGERWARNUNG angebracht. Es wird sexuell übergriffiges Verhalten, Vergewaltigung und Sexismus thematisiert. Falls ihr euch unwohl fühlt, entfernt euch ggf. mit Freund*innen kurz von der Demo oder sprecht Menschen aus dem Awarenessteam an.

Unsere selbstkritische Auseinandersetzung mit diesen Themen hat begonnen, als wir von Vergewaltigungsvorwürfen hörten, die an eine Person in unserer Gruppe gerichtet waren. Wir erfuhren erst Monate später davon, weil der Täter beschlossen hatte, uns dies zu verheimlichen. Während dieser Zeit war er ein aktives Mitglied innerhalb der Gruppe und zeigte sich nach außen auch offen feministisch.
Nach einem Gespräch, in dem der Täter das Geschehene leugnete, verließ er wütend die Gruppe. Eine wirkliche Aufarbeitung dessen geschah dann in den darauffolgenden Monaten von unserer Seite nicht wirklich. Wir waren von der Situation überfordert und wussten nicht, wie wir mit dem Täter weiterhin umgehen sollten. Wir wollten das Opfer nicht zu Gesprächen drängen und so wenig wie möglich in dem Prozess der Verarbeitung ihres Traumas eingreifen. Die Angst etwas falsch zu machen, hinderte uns daran, überhaupt etwas zu machen. Da viele den Täter auch persönlich sehr gut kannten, war es für uns alle erst einmal ein Schockmoment und seine Reaktion auf die Vorwürfe machte uns sehr wütend. Später versuchten wir sowohl mit dem Opfer als auch mit dem Täter Kontakt aufzunehmen und Aufarbeitungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Doch wir priorisierten dieses Thema viel zu lange nicht und schoben es von einem zum nächsten Plenum, um dieses unangenehme Thema möglichst auszublenden.
Erst seit kurzem haben wir uns wieder intensiver damit beschäftigt und uns mit anderen Gruppen vernetzt, um Aufarbeitungsarbeit und ein reflektierter Umgang mit sexuell übergriffigem Verhalten in politischen Gruppen zu erlernen. Diese selbstkritische Auseinandersetzung und Transparenz sind Teile dieser Aufarbeitung, doch wir sind noch lange nicht am Ziel angekommen.
Obwohl der Täter mitllerweile seine Tat zugibt, ist er weiterhin in politischen Gruppen und anderen Gruppierungen aktiv, wo nicht alle Personen von seinem sexuell übergriffigem Verhalten wissen. Inwiefern er selbst seine Tat aufgearbeitet hat, ist uns bis heute nicht klar.
Rückblickend hätten wir schneller offen und transparent machen sollen, dass sich in unserer Gruppe ein Täter befunden hat. Auch unser persönlicher Umgang war nicht immer richtig und oftmals von Zweifeln und Verdrängung geprägt. Wir versuchen jetzt zu lernen, möglichst frühzeitig übergriffiges und unangebrachtes Verhalten erkennen zu können und im Ernstfall dem Opfer und dem Täter Hilfe anbieten zu können. Sowohl dem Opfer als auch dem Täter sollte die Möglichkeit der Verarbeitung gegeben werden. Hierbei erwähnen wir den Täter auch explizit, da auch individuell die Möglichkeit des Refektierens und der Resozilisation angeboten werden sollte. Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Täter sich seines Verhaltens bewusst ist und selbst auch an diesem arbeiten möchte.
Denn wir können uns nie sicher sein, dass solch ein Verhalten nicht noch einmal in unserer Gruppe vorkommt.
Falls Menschen Fragen, Anmerkungen oder Hilfestellungen an uns richten möchten, könnt ihr uns einfach nach der Demo ansprechen oder uns eine E-Mail schreiben. Wir sind für jedes Feedback dankbar!

Wir wollen jedoch auch kurz noch eine solidarische Kritik an andere Gruppen in der linken Szene richten. Durch unsere Auseinandersetzung mit übergriffigem Verhalten und Sexismus haben wir bemerkt, dass auch andere Gruppen immer noch Probleme haben, effektiv solche Taten zu verhindern und aufzuarbeiten.
Vor allem in antifaschistischen Gruppen wird das Thema Feminismus zu selten in den Fokus gerückt. Denn nur weil man antifaschistisch ist, bedeutet das noch lange nicht, dass man feministisch ist. FLINTA-Personen haben es oft schwierig, sich in politischen Gruppen wohl zu fühlen und ernst genommen zu werden. Mackertum und silencing von FLINTAS* sind unserer Meinung nach innerhalb der linken Szene und in politischen Gruppen immer noch vorhanden und müssen bekämpft werden. Dabei ist das nicht nur die Aufgabe von FLINTAS*, sondern auch von allen anderen: nur gemeinsam kann ein safe space für alle und konstruktive politische Arbeit stattfinden. Insbesondere männlich sozialisierte Personen sollten ihre sexistischen Verhaltsmuster hinterfragen und offen kritisch damit umgehen. Awarenesskonzepte und geteilte Care-Arbeit sind dabei essenzielle Bestandteile. Wir appellieren deshalb an alle politischen Gruppen, sich selbst mit diesen Themen vermehrt auseinanderzusetzen und sich zu reflektieren. Auch wir haben noch keinen perfekten Umgang damit gefunden, aber hoffen weiterhin uns stetig dahingehend zu verbessern.

Die nicht fest organisierte linke Szene hat aber in Teilen noch ein großes Problem. Immer wieder hört man von Täter*innen, die aktiv geschützt und verteidigt werden. Opfer werden eingeschüchtert oder ihre Erfahrungen kleingeredet. Das passiert meist innerhalb von festen Freundesgruppen, die den Täter als Freund wahrnehmen und unter allen Umständen beschützten wollen. Nur weil man eine Person sehr gut kennt, heißt das aber nicht, dass er oder sie nicht zu übergriffigem Verhalten fähig wäre.
FLINTA-Personen sind selbst in der linken Szene vor misogynem Verhalten und sexuell übergriffigem Verhalten nicht sicher. Gerade wir müssten doch diese Verhaltensmuster im Keim ersticken und vorleben, wie eine befreite Gesellschaft FLINTAS* unterstützt und emanzipiert. Denn eine befreite Gesellschaft ist erst dann befreit, wenn es alle sind.

Gegen Macker und Sexisten – Fight the Power, Fight the System!
Alerta, alerta, antisexista!