Reflexionstext des 15.08.2022

Am Montag, den 15.8.22 versammelten sich 500 Leute im Leipziger Osten, um ihre Wut, Trauer und Enttäuschung darüber zum Ausdruck zu bringen, dass die deutsche Polizei 4 Menschen innerhalb einer Woche getötet hat. Unter dem Motto “Gegen tödliche Polizeigewalt” gedachten wir den Betroffenen und ihren Angehörigen und Familien. Gleichzeitig forderten wir nachdrücklich strukturelle Veränderung bei der Aufarbeitung solcher Todesfälle und ganz grundsätzlich Alternativen im Umgang mit sozialen Konflikten zur Herstellung von Sicherheit und Gerechtigkeit für ALLE.

Bei der Auftaktkundgebung gab es eine Gedenkstätte mit Blumen und Kerzen für die 4 Getöteten der vergangenen Tage und andere von der Polizei Getötete. Es wurde eine Schweigeminute abgehalten. Dann zogen wir über die Eisenbahnstraße in die Innenstadt bis vor die zentrale Polizeiwache in der Dimitroffstraße.

Die Polizei trat von Anfang an mit einer, besonders für den Anlass, provokativen Präsenz auf und verfolgte eine Null-Toleranz-Politik, die jeden möglichen Bagatellverstoß sofort mit voller Härte versuchte zu ahnden. So wurde die ganze Zeit gefilmt, wegen angeblicher Vermummung, die weitesgehend nur aus Coronamasken und Kapuzen bestand, wegen eines Bengalos die ganze Versammlung über einen längeren Zeitraum aufgehalten und die Abschlusskundgebung umzingelt. Wir forderten die Polizei mehrfach auf, sich deeskalativ und dem Anlass angemessen zurückzuhalten, doch war der Eindruck, dass die Leipziger Polizei die Kritik und die Forderung ihrer Abschaffung nicht aushalten und sich dafür an unserer Gedenkkundgebung rächen wollten.

Geht zum EA oder zur Roten Hilfe, wenn ihr betroffen von Repression seid!

Unter den aktuellen Umständen, dass die Polizei sehr repressiv jeder Kleinigkeit nachgeht, bitten wir alle Aktivisti abzuwägen, inwiefern eine Vermummung (über Cap/Kapuze/Mütze und Coronamaske hinaus) notwendig ist oder dies nicht vielleicht auch Selbstzweck sein könnte. Oft wird die Demo für das Verhalten Einzelner zur Rechenschaft gezogen. Wir stehen solidarisch zusammen und wollen in keinem Fall das Vorgehen der Polizei rechtfertigen. Doch das eigene Verhalten auf Demos sollte, in Hinblick auf die damit auch einhergehende Verantwortung, reflektiert werden, um unnötige Nachteile zu vermeiden. Hier geht es auch um Solidarität mit Menschen, die aus verschiedenen Gründen (Einschränkungen, unsichere Aufenthaltstitel, Traumata, etc.) von Repression besonders gefährdet sind.

Folgendes wollen wir für nächste Aktionen mitnehmen:

Die organisierenden Gruppen hätten sich etwas besser absprechen sollen, welcher Charakter der Veranstaltung gegeben werden soll und wie dann entsprechend mobilisiert wird. Menschen sollten sich vorher auf einen ungefähren Modus einstellen können.

Insbesondere der vordere Teil der Demo hätte langsamer laufen müssen, damit auch mobilitätseingeschränkte Menschen an dieser bis zum Ende teilnehmen können.

Auch werden wir unsere Playlist überarbeiten und beim nächsten mal sensibler auf die Inhalte der Lieder und ihre Angemessenheit in Bezug auf den konkreten Anlass schauen.

Wir bedanken uns erneut bei allen, die die spontane Demo möglich gemacht haben und so ein starkes Zeichen der Solidarität gesetzt haben. In vielen Städten wie Dortmund, Berlin, Hamburg und Köln finden bzw. fanden ebenfalls Demos zum Anlass der polizeilichen Tötungen statt. Wir sind viele und wir werden keine Ruhe geben: #NoJusticeNoPeace #AbolishThePolice!