Rede von CopWatch Leipzig (15.08.2022)

Justice 4 Mouhamed: Gegen tödliche Polizeigewalt!

Polizeigewalt, politische Verfolgung und rechte Skandale kennen wir von der
deutschen Polizei zu genüge. Die letzte Eskalationsstufe dieser Gewalt ist der Tod
von Menschen in Polizeigewahrsam oder durch Polizeigewalt. Personen mit
psychischen Krankheiten, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind und/oder
Schwarz sind, sind besonders durch die Polizei gefährdet. Dies zeigte sich in den
vergangenen Tagen mit einer schockierenden Deutlichkeit.

Seit 1990 starben mindestens 200 Menschen in Polizeigewahrsam oder an den
Folgen von Gewalt durch die Polizei. Sie wurden erschlagen, gefoltert, erschossen
oder in den Suizid getrieben. Polizeiunabhängige Ermittlungen gegen die
Täter:innen fanden nicht statt und nicht selten rechtfertigte die Polizei im
Nachhinein ihr Handeln mit der vermeintlichen Gefährlichkeit der Betroffenen und
beging somit eine klassische Täter/Opfer-Umkehr. Auch hier sind die Opfer oftmals
von Rassismus betroffen, arm oder in psychischen Krisen. Also wieder all
diejenigen, die von der deutschen Mehrheitsgesellschaft tägliche Ausgrenzung und
Diskriminierung erfahren.

Der Tod von Menschen in Polizeigewahrsam zeigt nicht nur wie tief rassistische und
menschenverachtende Ideologien in der Polizei verankert sind, sondern zeigen auch
das es der Staat nicht schafft alle Bürger:innen in gleichen Maßen vor Gewalt zu
schützen. Darüber hinaus zeigen Ermittlungen und die nicht Vorhandenen
Konsequenzen gegen die Täter:innen, dass es von staatlicher Seite keinen Willen
zur Aufklärung ebendieser Fälle gibt. Eine Tatsache, die die letzten Tage dadurch
bestätigt wurde, dass die Dortmunder Polizei im Recklinghausener Fall und
umgekehrt ermittelt. Neutralität, wie sie selbst gern behaupten, wird so nicht
hergestellt. Das Vertrauen, was sie zurück gewinnen wollen, bekommen sie von uns
jedenfalls nicht.

Wir vergessen diejenigen, die von der Polizei getötet wurden, nicht! Wir erinnern an
sie und fordern nach wie vor Aufklärung der Fälle und eine Gesellschaft, welche den
Tod von Menschen durch die Polizei nicht länger mehr hinnimmt. Von vielen der
Getöteten kennt man nicht einmal die Namen, so auch bei den Opfern in Frankfurt
und Oer-Erkenschwick. Einige Geschichten von ihnen könnt ihr bei unserer kleinen
Gedenkstätte oder auf der Website der Kampagne Death in Custody nachlesen.

Wie kommt es zu dieser Gewalt und Tötungen?

Gründe für die polizeilichen Übergriffe sind in den seltensten Fällen Überreaktionen
einzelner Beamt:innen in konkreten Situationen. Vielmehr ist der Polizeiapparat,
dem Befugnisse zur Gewaltanwendung an die Hand gegeben werden, die
Bedingung dafür, dass es immer wieder zu Polizeigewalt kommt. Auch die toxisch
männliche Copculture braucht die Gewalt gegen Unterlegene zur
Selbstvergewisserung ihrer eigenen Autorität.

Ein anderer Punkt ist die Sicherheit vor Konsequenzen, in der sich die gewalttätigen
Beamt:innen wiegen, weil Vorgesetzte, Gerichte und Politiker:innen sich immer
wieder schützend vor sie stellen. Solange es diese strukturellen Bedingungen gibt,
werden immer wieder Menschen misshandelt, gefoltert und ermordet, sodass die
einzige Konsequenz die Forderung nach Abschaffung der Institution Polizei sein
kann. Einen Diskussionsvorschlag, wie das in Deutschland mittelfristig aussehen
könnte, haben wir letztes Jahr vorgestellt.

„Abolish The Police!“ ist keine Forderung, die sich ohne notwendige
gesellschaftliche Veränderungen vollziehen kann. Kapitalismus und Nationalstaat,
als die zu schützende sog. „Sicherheit und Ordnung“ müssen daher ebenso kritisiert
und überwunden werden, wie wir solidarische Mechanismen im Umgang mit
Gewalt und Konflikten in unseren Communities entwickeln müssen.

Wir brauchen mediationsbasierte Konfliktlösungsmechanismen. Wir müssen
aufhören, der Polizei die Zuständigkeit für soziale Konflikten zuzuschieben. Kein
Mensch ist illegal. Niemand sollte aus seiner Wohnung vertrieben werden, weil sie
zu teuer ist, erst recht nicht von der Polizei. Niemand sollte eine bewaffnete Gruppe
von inkompetenten Polizist:innen gegenüberstehen müssen, wenn man eigentlich
professionelle psychosoziale Unterstützung braucht. Niemand sollte wegen der
Herkunft oder des Aussehens abgewertet werden.

Wir müssen uns gegenseitig unterstützen. Diskriminierendes und sonstiges
rechtswidriges Verhalten der Polizei sollte nicht widerspruchslos hinzunehmen.
Wenn ihr rassistische Kontrollen beobachtet, interveniert in diese und bietet den
betroffenen Personen eure Unterstützung an. Versucht brenzlige Situationen zu
deeskalieren. Wir brauchen soziale Sicherheit und soziale Lösungen für
gesellschaftliche Probleme statt Überwachung, Schikane und Gewalt.